01.01.2024

Faires Führen – Anti Bias Leadership

Grafik: Fair führen – Anti Bias Leadership
 

Der Anti-Bias-Ansatz lädt dazu ein, sich mit der eigenen Rolle im Kontext von gesellschaftlichen Schieflagen auseinanderzusetzen und alternative Formen der Zusammenarbeit und Organisationskultur in Unternehmen zu entwickeln. In einem Interview beschreiben die Trainerinnen Silke Potthast und Dr. Rita Panesar, wie sie mit dem Ansatz arbeiten und wie Teams von Anti-Bias-Arbeit profitieren können.

Organisationen, die wertschätzend mit Vielfalt umgehen, profitieren von höherer Zufriedenheit der Angestellten, mehr Produktivität und einer besseren Bewerber*innenlage. Das haben Studien immer wieder gezeigt (PageGroup 2018; Hunt et al. 2018; Roland Berger Strategy Consultants 2011). Diverse Teams sind tendenziell innovativer, sie adaptieren Prozesse schneller und passen sich flexibler neuen Umständen an (Bijedić et al. 2017; Welter et al. 2015; Robinson/Denchant 1997)

Was aber, wenn in der Mitarbeiterschaft Vielfalt in erster Linie Polarisierung und Stress bedeuten? Wenn Druck und Konkurrenz schnelle Bewertungen und eingefahrene Routinen verstärken? Wie können Personalabteilungen in Veränderungsprozessen Raum für den "zweiten Blick" schaffen, für Vertrauen und Kooperation, ohne die die aktuellen Herausforderungen nicht zu bewältigen sind? Der Anti-Bias-Ansatz leitet zur Reflexion an.

 

Was ist eigentlich Anti Bias? 

Rita Panesar:
Das englische Wort "Bias" bedeutet übersetzt "Vorurteil", "Voreingenommenheit" oder "Einseitigkeit". Anti-Bias-Arbeit macht Schieflagen in Institutionen und Gesellschaft deutlich und zielt auf den Abbau von Diskriminierung. 

Und was hat Diskriminierung oder Voreingenommenheit mit nachlassender Zukunftsfähigkeit zu tun?
Silke Potthast
Silke Potthast ist Projektleiterin von WOMENOMICS. Als Business Coach, Supervisorin und Prozessentwicklerin unterstützt sie Frauen in Führungspositionen bei der Persönlichkeitsentwicklung und Firmen bei der Umsetzung der Gleichstellung von Frauen.

Silke Potthast:
Unbewusste Voreingenommenheit führt zum Ausschluss von vielfältigen Denkweisen, Talenten, Ideen oder Innovationen. Wir kochen sozusagen immer weiter im eigenen Saft, innovationstreibende Ideen und Talente werden schlicht übersehen oder als weniger wichtig erachtet, weil sie vielleicht von einer jungen Frau oder einem Menschen mit Behinderung oder Kopftuch formuliert werden. Damit werden Chancen verpasst.

Die Themen Diversität und Diskriminierung werden derzeit emotional aufgeheizt und polarisierend diskutiert. Statt an einem Strang zu ziehen und Probleme zu lösen, ist die Rede von "Klimatreibern", "Quotenfrauen", "alten weißen Männern", "Generation z" und "Tech-Nerds". Der Trend geht stark in Richtung einteilen, beurteilen, vorverurteilen. Ein Grund hierfür ist sicher die immer komplexere Gesellschaft, die uns dazu verleitet, Sicherheit über unser Leben haben zu wollen und alle und alles in Schubladen zu packen. Und damit sind wir schon bei eigenen Vorannahmen und Vorurteilen.

In Unternehmen bemühen sich doch die meisten, ihren Mitmenschen vorurteilsfrei und wohlgesonnen zu begegnen. Ist es nicht überzogen, ihnen diskriminierendes Verhalten vorzuwerfen?

Rita Panesar:
Wir alle haben durch unsere Familien und Lernwelten schon als Kind Vorurteile und Bewertungen gesellschaftlicher Gruppen erlernt. Schauen wir Kinderbücher, Zeitschriftentitel und Schönheitsideale an: Hier wird durch die Darstellung oder auch die Unsichtbarkeit vermittelt, welchen Menschen "Normalität" oder ein hoher Status zugesprochen wird. Die verinnerlichten Botschaften sind bei uns allen oft unbewusst wirksam und tragen dazu bei, dass wir die ungleiche Verteilung von Macht in diskriminierenden Strukturen ungewollt stützen.
Das wirkt sich massiv im Arbeitsalltag aus: Die IKK Classic Studie hat gezeigt, in welch hohem Maße Vorurteile krank machen. Wer ein diskriminierungsbewusstes Umfeld schafft, sorgt hingegen für Mitarbeiter*innen-Gesundheit und ein attraktives Arbeitsumfeld.

Und wenn unsere Vorannahmen verinnerlicht sind, also unbewusst wirken, wie können wir sie entlarven und abbauen?

Silke Potthast:
In einem Anti-Bias-Prozess setzen sich Menschen damit auseinander, welche Privilegien sie besitzen und welche Verantwortung damit einhergeht. Das ist der erste Schritt: Zu erkennen, welche Position man selbst in der Gesellschaft innehat.

Beispielsweise werde ich als weiße Europäerin gelesen und habe einen akademischen Abschluss, bin also in diesen Aspekten privilegiert, habe mehr Teilhabe, Anerkennung und Ressourcen als andere. Als Frau und als Kind aus einer Arbeiterfamilie kenne ich herabsetzende Bewertungen und habe Diskriminierung erfahren, kenne also hier Marginalisierung. Meine Position in unserer Gesellschaft ist also zum Teil privilegiert und zum Teil marginalisiert. Das erste Ziel von Anti-Bias-Arbeit ist, ein starkes Selbstbewusstsein für uns und unsere Gruppenidentität zu entwickeln, ohne uns anderen gegenüber überlegen zu fühlen.

Das ist ein schönes Ziel – wie geht es dann weiter?
Dr. Rita Panesar
Dr. Rita Panesar leitet das "Expertinnen-Netz. Mentoring für Frauen" und unterstützt Unternehmen, öffentliche Institutionen sowie Schulen in diversitätsbewussten und diskriminierungskritischen Öffnungsprozessen.

Rita Panesar:
Im Anti-Bias-Prozess üben wir nach und nach ein, die Strukturen, in denen wir leben und arbeiten, immer wieder auf Barrieren und Benachteiligungen zu überprüfen. Im Arbeitsleben kann das beispielsweise neben dem Umgang der Teammitglieder untereinander das Einstellungsverfahren, der Umgang mit Dienstleistern, die Kund*innenorientierung, die zielgruppenspezifische Produktentwicklung oder die Integration von neuen, ungewöhnlichen Ideen sein. 

Gemeinsam erarbeiten wir Strategien, um Machtverhältnisse in eine Balance zu bringen und Diskriminierung zu widerstehen. Somit geht es nicht nur um einzelne "ausgrenzende" Handlungen, sondern um Routinen, Erzählungen, Gesetze und Logiken in Institutionen, die einigen Vorteile bringen und andere benachteiligen. 

Sind Anti-Bias-Prozesse nicht sehr anstrengend und konfliktträchtig?

Rita Panesar:
Sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und zu reflektieren kann herausfordernd sein. Unterschwellige Konflikte können sichtbar werden. Häufiger erleben wir jedoch ein Zusammenwachsen. Durch den Austausch von Perspektiven werden Vertrauen und Verständnis gestiftet. Wir arbeiten mit Kopf, Herz und Hand, teilnehmer*innenzentriert und mit viel Methodenwechsel. In Anti-Bias-Prozessen verfolgen wir das Anliegen, sichere Räume zu schaffen. Wir erlauben uns "Versuch und Irrtum", kultivieren Fehlerfreundlichkeit und achten auf Selbstfürsorge und Wertschätzung.

Wie können Unternehmen starten?  

Silke Potthast:
Ein Anti-Bias-Workshop kann ein Schritt im Prozess sein, ein erster Schritt auf dem Weg zu einer vorurteilsbewussten, machtsensiblen und diskriminierungskritischen Haltung – er vermittelt keine Rezepte, sondern Denkweisen und Professionalität. 

Das Bewusstsein über eigene Privilegien und Marginalisierungen kann einen konstruktiven Umgang mit Macht schaffen. Unserer Erfahrung nach fühlt sich das für viele Menschen empowernd an. Es schafft Mut, Schieflagen in Arbeitsbeziehungen und -strukturenins ins Gleichgewicht zu bringen und auch im Rahmen der gesamten Organisation neue, innovative Wege zu gehen.

Aktuelle Seminare zum Thema Anti Bias:

Business Talk: Werteorientierte Führung mit dem Anti-Bias-Ansatz
Mittwoch, 31. Januar 2024
9:00 Uhr bis 12:00 Uhr 
Speakerinnen: Dr. Rita Panesar und Silke Potthast
Ort: Präsenzveranstaltung in der KWB Management GmbH,
Haus der Wirtschaft, Kapstadtring 10, II. Etage, 22297 Hamburg
Details auf der VeranstaltungsseiteKostenfreie Anmeldung: Per E-Mail an Silke Potthast über womenomics@kwb.de.


Vielfalt managen: Faires Führen mit dem Anti-Bias-Ansatz
Donnerstag, 15. Februar 2024 von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr und
Freitag, 16. Februar 2024 von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr
Trainerinnen: Dr. Rita Panesar und Silke Potthast
Ort: Präsenzveranstaltung in der KWB Management GmbH,
Haus der Wirtschaft, Kapstadtring 10, II. Etage, 22297 Hamburg
Kosten: 998,- €Details auf der VeranstaltungsseiteAnmeldung: Per E-Mail an Silke Potthast über womenomics@kwb.de.

 

Termine

5.  April bis 18. Juni 2024

Stark und präsent – Mit der Stimme führen
Zeit: Ein Präsenztreffen am 5. April 2024 von 10:00 bis 17:00 Uhr
und sechs Online-Treffen jeweils 19:00 bis 20:30 Uhr
Trainerin: Helen Weintritt

Anmeldung

 

Supervision Start 10. April 2024

Standortbestimmung und Supervision für weibliche Führungskräfte
Zeit: Mittwochs, 17:00 bis 19:00 Uhr
Supervisorin: Silke Potthast

Anmeldung

 

29. April 2024

Familienfreundlichkeit - So steigern Sie die Mitarbeiterbindung
Zeit: Montag, 15:00 bis 18:00 Uhr
Trainerin: Cornelia Heckermann

Anmeldung

 

13. und 14. Juni 2024

Fit for Job – Fit for Life
Zeit: Donnerstag und Freitag, 09:00 bis 17:00 Uhr
Trainerin: Silke Potthast

Anmeldung
   

26. Juni 2024

Business Talk
Zeit: Mittwoch, 9:00 bis 11:00 Uhr
Moderation: Dr. Rita Panesar und Silke Potthast

Weitere Details folgen

 

5. Juli 2024

Elternzeit, Elterngeld und Berufsrückkehr – den Wiedereinstieg erfolgreich gestalten
Zeit: Freitag, 15:30 bis 18:30 Uhr
Trainerin: Cornelia Heckermann

Anmeldung
   

28.  Oktober bis 21. November 2024 

Bühne frei – der Online-Meeting-Profi!
Zeit: vierwöchiger E-Learning-Kurs
inkl. vier Online-Synchrontreffen 
jeweils 16:00 bis 18:00 Uhr
Mittwoch, 30. Oktober 2024
Donnerstag, 7. November 2024
Donnerstag, 14. November 2024
Donnerstag, 21. November 2024

Trainer/-in: Olaf Dierker, Regina Neubohn

Anmeldung

 

Voraussichtlich Winter 2024 plus 1 Follow-up-Coaching

Resilienz-Workshop – Selbstfürsorge für Führungskräfte
Zeit: Donnerstag und Freitag, 09:00 bis 17:00 Uhr
Trainerin: Silke Potthast

Weitere Details folgen